Reise durch die baltischen Länder per Fährschiffen und eigenem Auto

vom 29. April bis 12. Mai 2018

 

 

Das Baltikum stand schon lange auf unserer Wunschliste, das wie sich herausstellte, völlig zu Recht. Wir haben ein halbes Jahr Reiseangebote gewälzt und fanden stets zwei Punkte, die uns eine Buchung unmöglich machten:

—zum einen wollten wir nicht per Flugzeug reisen und die Reiseprogramme voll akzeptieren, weil die religiöse Betonung, vor allem in Litauen, uns zu stark war.

—zum anderen waren bei allen Reiseangeboten Abstecher nach St. Petersburg geplant. Da das Auswärtige Amt gleichgeschlechtliche Paare eindringlichst vor Reisen nach Russland,      insbesondere nach St. Petersburg warnt, verbot sich ein derartiger Trip von selbst. Zudem kennen wir die Stadt, sie wird völlig überhöht: goldene Fassaden und wirklich nichts dahinter als Hässlichkeit und Lügen.

So kamen wir mit der Zeit dahinter, dass es das gibt, was wir suchen, nämlich das Reisebüro an der Oper in Bonn! Dort, beim „Reisebüro an der Oper, Kapuzinerstr. 11, 53111 Bonn, bekamen wir von Herrn Rautenberg und seinem Team genau das, was für UNS das Richtige war, nämlich eine Reise, die unseren Bedürfnissen entsprach! Die Ausarbeitung verdient viel Lob.

Am 29. April starteten wir mit unserem Auto nach Kiel. Die Fähre nach Klaipeda erreichten wir, aber doch nur knapp, denn acht Rinder tummelten sich zwischen Ascheberg und Münster zwei Stunden und 10 Minuten auf der A1. Wer Lust hat, möge mal hinein hören, was Reinhard Mey in seinem Lied „Gute Kühe kommen in den Himmel“ in herrlicher Weise zum Thema zu sagen hat.

Also starteten wir zu einer zehneinhalbstündigen Fährfahrt mit Auto Richtung Klaipeda. Es war nicht der Luxus, aber immer noch entschieden bequemer als ein Flugzeug. Wir lernten ein nettes Ehepaar in Heinz‘ Alter aus Potsdam kennen, die schon das dritte Mal die Kurische Nehrung besuchten und bekamen viele Tipps. Das erwies sich schon bei der Fährbenutzung zur Nehrung als sehr nützlich.

 

 

Die kurische Nehrung und Klaipeda

Man gibt für Auto und Fähre 11,65 Euro aus und hat damit auch schon die Rückfahrt bezahlt. Für den Eintritt in den Nationalpark zahlt man 5 Euro, ein lächerlicher Betrag angesichts von etwas, das man wirklich Tier- und Naturschutz nennen darf. Dort fiel uns erstmals die große Anzahl von Auenwäldern auf, die Beobachtung ließ sich in allen drei Ländern machen, auch hier ist das Baltikum dem ständig rodenden und Boden verbrauchenden Deutschland weit voraus!

Die Nehrung hat nur vier Orte, nämlich das etwas größere Nida mit 1178 Einwohnern und drei kleine Orte. Nämlich Juodkrante (früher Schwarzort) mit dem herrlichen Hexenberg und etwas Gastronomie und einer Promenade und etlichen Fischgeschäften sowie Preila und Pervalka u. das klitzekleine Smyltine, alle drei letzten haben keine Gastronomie, abgesehen von einer Gaststätte im Wald zwischen Nida u. Preila.

 

Daten der Nehrung:

Breite‎: ‎3,8 km

Gewässer 2‎: ‎Kurisches Haff

Länge‎: ‎98 km

Gewässer 1‎: ‎Ostsee

Die Nehrung ist reich an Fichten- und Laubwäldern, hat wunderschöne weiße Strände und ganz viele Elche. Unsere Mitreisenden sahen einen, wir leider nicht. Ganz besonders schön ist ein Schmetterling, der auf der Nehrung sehr oft vorkommt: der Aurorafalter. Die Männchen sind weiß und haben orange-farbene Flügelränder, weit leuchtend, die Weibchen sind reinweiß.

Man kann wandern und kommt automatisch zu den Dünen, von denen die „Große Düne“ und die „Tote Düne“ die wichtigsten sind. Sie zu erwandern, ist ein Vergnügen und ein Abenteuer, nicht umsonst sagt man zu den beiden Dünen „Kurische Sahara“. In Juodkrante gibt es den Hexenberg mit über 100 überlebensgroßen Skulpturen aus Legenden und Mystik, nicht religiös. Sie sind imposant und auf einem Rundweg in ca. 40 Minuten zu erkunden.

Sehenswert ist der Friedhof von Nida, schön gelegen und immer noch Kenntnis gebend von der Geschichte, die mit den Deutschen verbunden ist.

Ein Höhepunkt ist der Besuch des Thomas-Mann-Hauses an einer wunderschönen Aussichtsstelle, still gelegen, bestens gepflegt und voller Zeugnisse der Familie Mann, die hier die Sommer von 1930-32 mit den drei jüngsten Kindern verbrachte. Das herrliche Haus fiel dem „Reichsjägermeister“ Hermann Göring in die Hände. Thomas Mann hat die Elche beobachtet, der NS-Verbrecher hat sie geschossen.
Das Haus wurde von einer Granate getroffen und verfiel. Ab 1967 wurde es wieder in den Originalzustand versetzt und seit 1996 ist es ein Thomas-Mann-Kulturzentrum. Der Eintritt kostet zwei Euro; es darf fotografiert werden. Auch der herrliche Garten und der Aussichtspunkt auf das Haff sind dem Besucher zugänglich.

Auf der Nehrung wird viel Bernstein gefunden und neben dem Tourismus ist die Bernsteinvermarktung für Schmuck eine Einnahme der Menschen. Elchfleisch wird dort NICHT verkauft!

Das Kurische Haff friert ab Dezember zu, wenn es frei gegeben ist, können Autos darauf fahren, es werden der Advent und Weihnachten dort gefeiert. Die Hotels sind geöffnet, allerdings in ihnen nur ein paar wenige Restaurants. Wir hatten eines der ca. sechs bis acht Hotels, still gelegen und sehr gut, mit Terrassen und Balkonen, erschwinglich und ein Hort der Ruhe, die wir drei Tage sehr genossen haben.

Außer den Orkney-Inseln habe ich, Heinz, noch niemals Landstriche gefunden, die so sehr ruhig sind und der Seele so gut tun. Wiederholen würden wir aus der Reise die Nehrung im Winter.

Das Essen ist gut auf der Nehrung, rustikal und sehr fischreich. Die Bierpreise schwanken zwischen Litauen und Estland für den halben Liter zwischen 2,50 und 6,90 Euro. Das Bier ist hervorragend und in den jeweiligen Ländern gebraut. Es gibt grundsätzlich das Helle und das Dunkle überall. Wein ist sehr teuer und auch nicht gut.

Auf der Nehrung fiel uns erstmals auf, dass es Verbotsschilder für Drohnen gibt, sie begegneten uns in allen Ländern regelmäßig. Ganz schön fortschrittlich gegenüber unserer Heimat! In Litauen gibt’s übrigens keinen einzigen „Mc-Donald’s“ — in den übrigen Ländern nur homöopathisch verdünnt. Mehr als erfreulich.

Klaipeda haben wir natürlich besucht und empfunden, dass die Reiseführer, deren wir vier dabei hatten, arg schummeln, wenn sie über die Stadt berichten. Klaipeda hat den Theaterplatz, das Reichspostamt von 1890 und das kleine Rathaus und ein paar heruntergekommene Altstadtgassen und keineswegs eine herrliche alte Altstadt.Das Ännchen von Tharau steht seit der Wende wieder auf dem Platz, wo bis dato Lenin stand. Aber man kann nicht wie behauptet, täglich das Lied hören, sondern nur samstags und sonntags.

Die Stadt ist bis heute gezeichnet von den Nazis, aber ganz besonders von der russischen Okkupation. Die Russen hatten die gleichen perversen Dinge „drauf“ wie die Nazis. Sie leißen alle alten und aktuellen Friedhöfe und damit die Geschichte der Menschen platt machen und machten Parks daraus. Die Nazis nahmen den Menschen die Körperhaare in den KZ´s und damit ihre Würde, Ähnlichkeiten durchaus vorhanden.

Es gab Menschen, die einige Grabsteine, aber besonders die schönen Grabgitter bargen. Heute sind diese Bestandteil eines schönen Schmiedemuseums in den Altstadtgassen, dessen Lage in den Reiseführern falsch beschrieben ist. Klaipeda besteht zu mehr als 50 % aus verfallenenen Häusern der Russenzeit, teils wirklich abenteuerlich noch bewohnt.

Es hat eine der schäbigsten Hafeneinfahrten Europas und ist ganz der teils noch schmutzigen Industrie gewidmet.

Man kann in Klaipeda Stadtrührungen machen soviel man will, man wird nie hören, dass nahe der Stadt 212.000 Juden von den Nazis erschossen wurden, dass 20.000 Stadtbewohner 1940 von Stalin nach Sibirien deportiert wurden, dass Litauer bei allen Verbrechen ganz stark die eigenen Finger im Spiel hatten. Ganze drei von ihnen sind verurteilt worden, zwei waren zu alt fürs Gefängnis.

Litauen und ganz besonders Klaipeda und Vilninus sind solange noch nicht in Europa angekommen, wie sie ihre Vergangenheit nicht angehen, endlich aufzuarbeiten. Das Hakenkreuz steht übrigens nach einem Klaipeder Gerichtsbeschluss als „Symbol der Sonne“ unter besonderem Schutz!!

Klaipeda ist also aus vielerlei Gründen nicht der Ort, der auf der Besuchsliste stehen muss, so sehr sich die Menschen dort auch um Freundlichkeit bemühen, viel mehr als im Rest des Baltikums! Wir sind vorzeitig zurück, Bausubstanz und Verlogenheit haben uns zu sehr bedrückt.

 

Litauen- das Land, Kaunas, Vilnius und Trakai

Man fährt dann eine Tagesstrecke bis zum nächsten Hotel von rd. 400 km. Die Strecke ist landschaftlich schön. Wer das Burgenland in Österreich mag, mag auch seine Störche und ganz besonders Rust.

Das alles wird in Litauen noch getoppt. So viele Störche hat noch niemand von uns beiden gesehen. In jedem Dorf mehrere Nester, dort wo sie noch nicht fertig waren, menschliche Hilfe dafür. Das flache Land ist eben nicht flurbereinigt, es hat viele Senken, in denen man für die Frösche, Kröten und damit für die Störche das Wasser stehen lässt.

An jedem Bauernhof ist ein kleiner Teich für Enten, auch für die Störche. Der Elch wird geschützt, einen durfte Heinz bei der Fahrt vom Beifahrersitz aus in drei Metern Nähe sehen. Das Elch-Symbol ist auf die Schnellstraßen gemalt und Elchwarnschilder gibt es nahezu so viele wie Störche. Wir besuchten eine kleine Gaststätte auf der Fahrt, bekamen ein tolles günstiges Essen mit einem klasse Bier und die Auskunft, dass der kleine Ort sechs Elche habe. Man kennt sie also nahezu namentlich und liebt sie und —vermarktet sie nicht. Es gibt in ganz Litauen nicht einen Hochsitz zu sehen, übrigens auch in beiden anderen baltischen Ländern nicht! Ein Gegenbeispiel: in unserem winzigen Nachbarort Roderath (198 Einwohner) gibt es um das Dorf herum 17 (!!) Hochsitze— die Riesenanzahl von Jägern, auch von rundum, muss ja etwas zu schießen haben, Bald wird unsere Landschaft wie in Sachsen leer sein von Wild.

Jagd wird vom Staat ausgeübt, aber auch leider von dem Pöbel russischer Herkunft, die sich wie kleine Oligarchen aufführen. Sie in Gaststätten zu sehen, führt zur Übelkeit. Übervolle Teller, nie leer gemacht, wie bei Briten, wenn es All inclusive gibt!

In den Hotels in Litauen schmeckt die Marmelade besonders gut. Heinz ist wohl ein Fachmann im Kreieren von Marmeladen, Konfitüren und Gelees und ist sich sicher, dass die Bauersfrauen an die Hotels eigene Fruchtaufstriche verkaufen. Ein Unterschied zur Lettland und Estland, das kommt das Zeugs wieder aus dem Eimer oder aus Kleinpackungen, die ungenießbar sind.

In den kleinen Gaststätten stammt vieles vom Lande, ein Allergiker wie Heinz freut sich über allerbeste Lebensmittel auf dem Tisch. Allerdings ist er auch klug genug, dort wie hier viel zu frühe Erdbeeren zu verschmähen.

Auf den Dörfern Litauens flattert die Wäsche im Wind, nebenan auf dem Bauernhof pflügt der Bauer mit Hilfe seiner Pferde. Spritzende Bauern haben wir in ganz Litauen nur zwei gesehen, die in Lettland zählten nach hunderten, auch in Estland ist das so. Ziegen befinden sich an ganz langen Leinen, damit man die Weidezäune sparen kann. Ihr Radius ist sehr groß und tiergerecht. Überall sind in den Feldern neben den Wasserstellen auch kleine Wäldchen zum Schutz der Wildtiere.
Nirgendwo in Europa ist uns ein besserer Tier- Natur- und Umweltschutz begegnet, wenn auch nur in Hotels Glas gesammelt und sonst kein Müll getrennt wird.

Die Autoschnellstraßen verfügen über private Raststätten, eine schöner als die andere. Deutsche Raststätten an Autobahnen sind selten schön, als schönste gilt Mahlberg auf beiden Seiten der
A 5 vor Freiburg.

Hier aber sind es Kleinode der Gartenkunst, der Kochkunst und des guten Bieres und der niedrigen Preise. Die Litauer kommen auch hierhin, speziell um zu essen. Es gibt Raststätten mit Campingplätzen, hervorragende im Grünen verborgener Außengastronomie. Das alles hat uns total begeistert und lässt vergessen, dass Litauen noch ein sehr armes Land ist. Viel seiner Bausubstanz ist arg verfallen, Anstriche sind in nahezu jedem Ort nötig. Neubauten sind dünn gesät, dafür aber sehr schön. Die Gastronomie ist in jedem noch so ärmlichen Ort einladend, immer mit viel Grün und Blumen versehen.

Litauen liebt wie keines der drei Länder den Blumenschmuck in den Dörfern, oft viel schöner als bei uns zu Hause.

Offensichtlich gehen die EU-Mittel für die Landwirtschaft eher an die verfluchten deutschen Großmastbetriebe, nicht aber an kleine Bauern! Apropos kleine Bauer: in Litauen sahen wir nur zwei Mal Bauern, die mit (kleinen Fässern) Gülle ausbrachten. In unserem Wohnort werden Massen von Gülle ausgebracht wie allerorten! Wir sind sicher, dass unser Grundwasser und die Bäche längst nitrat-verseucht sind. Aber es tut niemand etwas dagegen, insbesondere die Politik nicht. Im Gegenteil: man lässt noch Gülle aus den Niederlanden in unser Land, an deren Aufbringung die industrielle Landwirtschaft noch reichlich verdient! Auch kennt man zur Erholung der Natur die Brache. Beeindruckt hat uns auch, dass nach Ernte eines Fichten- oder Kieferwaldstückes Mischwald angelegt wird. Das geschieht, wie wir auf Nachfrage erfuhren, weil die Elche zum gesunden Überleben Laubwald benötigen und keine Monokulturen von Nadelwald.

Die Schnellstraßen bzw. ihre Standstreifen dürfen auch von Fahrrädern, sogar von Skate-Boards befahren werden, Fußgänger nutzen sie und es gibt auch leicht zurück springende Bushaltestellen, die für die Höfe und Minidörfer zu erreichen sind. Sogar Kleinbagger waren unterwegs. Gut gedacht, Autobahnabfahrten und -auffahrten wären viel zu teuer! Man kann alle ca. 15 Kilometer auf der Schnellstraße wenden (umgekehrtes U), um auch teils in Feldwege oder Ministraßen der anderen Seite wechseln zu können.

Zum Straßenbau gibt’s in allen drei Ländern Besseres als hierzulande. Kleine Baustellen werden auf dem Lande, an den Schnellstraßen und in den Innenstädten gegen 21 Uhr eingerichtet und sind beim Einsetzen des Berufsverkehrs fertig!

Auf der Strecke liegt Salantai, auffällig durch seine zweitürmige neugotische Kirche. Den Friedhof haben die Russen den Einwohnern in den 1970ern genommen, nur die Gräber der Priester um die Kirche herum blieben erhalten. Die Grabsteine, die zertrümmert wurden, sind zersägt und in die Fußwege rund um die Kirche eingelassen worden.

Ein Steinwurf von der Kirche liegt das einzige Restaurant des Ortes, dazu gibt es noch zwei Schnell-Imbisse. Das Haus ist aus grün gestrichenem Holz, hat einen Gastgarten draußen, durchaus ansehnlich und wenn man in den Gastraum kommt, ist die Zeit stehen geblieben. Es sieht aus wie ein großes Wohnzimmer aus Vorkriegszeiten, ist gemütlich und freundlich. Die Wirtin, resolut und liebevoll zugleich, kümmert sich umgehend, lässt einen den Tisch aussuchen. Man sieht die ganz großen Portionen auf den Tellern der anderen Gäste, reichlich vertreten nachmittags um 16 Uhr. Ein Mann spricht uns an in Englisch, erzählt uns von einem Restaurantkritiker, der sich hierhin verirrte und sich in die Schweinerippchen, tolle Sauce dabei!, mit Salzkartoffeln und Gemüse so verliebte, dass er in den Gastronomie-Führern das Lokal, seine Speisekarte allgemein (auf kleine Zettelchen per Hand geschrieben) und die Rippchen im Besonderen ganz toll anpries. Seitdem nehmen die Leute die 40 KM von Klaipeda und anderswo gerne in Kauf und genießen.

Heinz als Fast-Vegetarier hat nachgegeben und so wurde toll gespeist. Insgesamt zwei Rippchen-Mahlzeiten, dazu drei halbe Liter Bier, kosteten mal eben die Mini-Summe von 15 Euro. Beim Abschied gab es noch drei Hand voll tolle Pralinen. Wer die Strecke fährt, darf dieses Lokal nicht verpassen, zumal die Leute ungewöhnlich freundlich sind und wirklich viel vom Kochen verstehen.

Fährt man zwei Kilometer weiter, dann sieht man den neuen Friedhof und links davon am Ende eines Feldweges einen Hof liegen. Der hat es vielleicht in sich! Der Hof ist nämlich ein Grabstein-Asyl, zunächst für die aus Salantai, die man dem Steinmetz Vilius brachte. Der stellte sie auf und oft kamen Leute, die dem Steinmetz Steine und Grabzeichen aus Metall oder Holz brachten. Es wurden immer mehr und das große Areal verwandelte sich mit der Zeit in ein Labyrinth aus Gedenkzeichen aus alle Religionen. Das Christentum ist vertreten wie die östlichen Religionen, Zeichen aus dem Islam, vielen Zeichen aus der (weit gefassten) Esoterik. Dazwischen hat der Steinmetz Streuobstwiesen und Teiche eingefügt. Zum Grundstück gehört ein Restaurant, in dem man auf Vorbestellung speisen kann. Es gibt zwei liebe Hunde dort und der Eintritt beträgt 3 Euro. Wenn der Rundgang beendet ist (man sollte schon eine Stunde einplanen), dann erwartet einen ein alter russischer Panzer. Wir haben mit Herrn Vilius mit Händen und Füßen gesprochen und erfahren, dass durch eben diesen Panzer Familienangehörige von ihm umgekommen sind und nun auf dem neuen Friedhof in Sichtweite ein Andenken haben. Er gab zu verstehen, dass er die Russen verabscheut.
Dieser Ort mitten in der Landschaft ist ein mystischer Ort, anziehend, wohltuend, klug angelegt, die Natur mit einbeziehend in wunderbarer Weise.

Wir kommen noch auf den „Berg der Kreuze“ zu sprechen. Der wiederum kann mit diesem Ort nie mithalten, weil er einfach dumm ist.

Wenn 200 Kilometer „vollbracht“ sind, kommt man nach Kaunas mit seiner schönen Burg und seiner üppig großen Fußgängerzone. Hier ist schon mehr renoviert, aber immer noch ein Stau, der Jahrzehnte braucht!
Wir besuchten eine Ausstellung mit Fotos und Lebensbeschreibungen von Hundertjährigen aus Kaunas und weiterer Umgebung. Es waren deren nahezu 100 Personen, die beiden ältesten davon 107 Jahre alt.
Kaunas besitzt eine reiche Anzahl von Straßencafés und einen sehr schönen Marktplatz. Aber wenn man „katholisch“ lieber außer Acht lässt, dann gehen einem die katholische Werbung, der allgegenwärtige Woyjtila, der einmal hier war, gewaltig auf den Senkel. Man ahnt da noch nicht, wie schlimm das erst mal in Vilnius wird. Es steht wohl bald eine Seligsprechung an, dieser Kandidat belästigt einen an wirklich jeder Straßenecke mit übergroßen Konterfeis.

Alle drei Länder feiern dieses Jahr den 100. Jahrestag ihrer Wiedergründung, einen von vielen aus der Geschichte.

 

 

 

Vilnius und Trakai

Vilnius, in deutsch Wilna, die Hauptstadt Litauens, ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Sie hat gut 574.000 Einwohner, von denen mehr als die Hälfte in maroden Häusern – vor allem Plattenbauten – wohnt. Selbst in der Innenstadt wird man selten ein Hotel finden, in dessen unmittelbarer Nähe nicht zerfallende Häuser stehen.

Die Stadt ist UNESCO-Weltkulturerbe. Was die Organisation geritten hat, diesen Titel dorthin zu vergeben, ist ihr Geheimnis. Es gibt eine sehr schöne Innenstadt, die nicht groß ist, wie in Reiseführern aller Art fälschlich behauptet wird. Diese Altstadt ist äußerst lebendig. Es gibt Restaurants – äußerst preiswert – , Cafés und viele Discos und Biergärten für die Jugend. Verrückt werden kann man nach dem Pfannkuchenhaus, clever gemacht, vielfältig, preiswert, von einer Innen-Architektur voller herrlicher Einfälle.

Leider gibt es aber auch in unmittelbarer Nähe – der schönen Philharmonie schräg gegenüber – eines der größten Büros von „Radio Marija“, dem katholischen faschistischen Sender, ein Anlass für tiefen Ekel für jeden rechtschaffenen Menschen. Wir haben den Herrschaften auf Litauisch einen Brief in den Kasten geworfen, mit dem wir unseren Ekel ausdrückten.

Vilnius nennt sich das „Rom des Ostens“, zurückgeführt auf die Masse der Kirchen. Hier vermuten wir auch den Grund für die Ehrung durch die UNESCO. Profane Bauten von edler Schönheit sind eher selten: Philharmonie, Rathaus, Hotelfassaden, Parks mit Cafés.

Die Stadtrundfahrt besteht zu 80 % aus der Beschreibung sakraler Bauten. Dass Vilnius durch die Nazis 38 % (!) seiner Bevölkerung, nämlichnahezu alle Juden, durch grausamen Mord verloren hat, kommt nirgendwo vor. Wenn man 38 % seiner Menschen verliert, müssten die doch nach über 70 Jahren ein Denkmal haben? Oder? Ja, es gibt ein ganz kleines außerhalb der Stadt, wie man uns sagte.

Wir mögen es nicht, wenn wir uns informieren wollen, dass dann wesentliche Aussagen und Themen nicht erwähnt, daher gelogen oder geklittert werden. Deshalb hauptsächlich ist Vilnius nicht die Stadt, die wir noch einmal besuchen werden. Ja, es gibt sowohl ein jüdisches als auch ein KGB-Museum, man riet uns aber, die nicht zu besuchen, weil dort intensiv versucht wird, in beiden Regime praktizierte „Anhänglichkeit“ zu verwischen.

Die Reiseführer gehen denselben Weg des Verschweigens. Wir zitieren aus einem den „gesamten“ Text zum Thema: „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts leben in Vilnius rd. Ein Drittel Juden, nach dem Einmarsch der Deutschen nicht mehr hier; damit erlosch das jüdische Leben der Stadt“. Vilnius wurde ob seiner riesengroßen jüdischen Gemeinde, einer der größten Europas „Klein Jerusalem“ genannt. Kein Wort in der Stadt davon, schon arg!Wir wissen, dass wir künftig Reiseführer mit allergrößter Vorsicht genießen, denn im selben Führer wird die Altstadt von Vilnius auch als eine der größten Europas beschrieben, was nun gar nicht stimmt. Übrigens erwähnen die Reiseführer auch nicht ein seit Jahren bestehendes koscheres Restaurant in der Altstadt.

Am Abend besuchten wir das 30 km entfernt gelegene Trakai und blieben lange dort. Die Stadt, die im Mittelalter Hauptstadt von Littauen war, ist einfach eine Perle der Schönheit. Es gibt nur eine ganz lange Hauptstraße, gesäumt von bunten Holzhäusern mit schönen Blumen- und Obstgärten. Es gibt zwei, drei kleine Hotels und die mittelalterliche Burg, in einem großen See gelegen, erreichbar über zwei Holzbrücken.

Die Burg ist lebhaft besucht, die Tret- und Ruderbötchen immer ausgebucht. Es gibt zauberhafte Lokale am See, einen Spazierweg drumherum und viele kleine Geschäfte. Einen öffentlichen Parkplatz gibt es, den Rest stellen die Privatleute auf ihren Grundstücken, um ihr Einkommen etwas aufzustocken (2 Euro zeitlich unbegrenzt).

Uns hat in den baltischen Ländern sehr die Unfreundlichkeit der Dienstleister in den Hotels und Lokalen gestört. Man empfindet sie wie im Sozialismus „wenn man einen kleinen Posten hat, spielt man auch noch die kleinste Macht aus“. Auf Wiedersehen ist ein Fremdwort, ein Danke fürs Trinkgeld meist auch und der Gesichtsausdruck ist meist der, den man Furcht erregend nennt. Nicht so in Trakai, dort fiel die enorme Freundlichkeit in Geschäften, Lokalen, an den Eintrittsstellen, auf den privaten Parkplätzen sehr auf.
Wir erlebten sie schon hier und da, aber man kann Freundlichkeit bei Dienstleistern schon als Ausnahme bezeichnen. Sicher liegt auch ein Grund in den bunten Volksmischungen. Es gibt Städte mit 96 % Russen oder 14 % Weißrussen. Dass die freundlich sind, ist an sich nicht bekannt.

Jedenfalls war Trakai nach der Nehrung DER Ort der Freude und wird uns unvergessen bleiben. Trakai ist übrigens rd. 5.300 Einwohner stark.

 

 

Von Vilnius nach Riga

Auf dieser Strecke darf man das Tanken nicht vergessen. Es ist günstiger als in Deutschland und Lettland und Estland hat saftige Preise! Nur beim Autogas ist das Preisniveau in allen Ländern in etwa gleich mit Deutschland.
Das Porto für Ansichtskarten beträgt in Litauen 0,78 Euro, in Lettland und Estland rekordverdächtige 1,40 Euro!

Dann verlässt man mit etwas Wehmut diese schöne Litauen und kommt nach Lettland. Man merkt es sofort: alles, aber auch alles ist wesentlich teurer. Die Straßen bis fast nach Riga sind über Distanzen von 60 (!) Kilometern schnurgerade und fördern die Übermüdung der Autofahrer.

Auch hier hat man eine Vorliebe für Blumen, aber auffällig ist die exesszive Landwirtschaft. Das paradiesische Agrarland ist dann eben vorbei.

Der Abschied fällt etwas leichter, wenn man die völlig überflüssige „Sehenswürdigkeit“ kurz vor der Grenze betrachtet:
Es geht um den „Berg der Kreuze“, ein äußerst unangenehmer „Wallfahrtsort“. Ein 10 m hoher Berg ist aufgeschüttet, angeblich schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts, was wir nicht glauben. Oben thront eine Gips-Madonna, grell angestrichen von einem Laien. Der Hügel birgt tausende von Kreuzen, zumeist verrottet– und täglich kommen neue dazu. Im Andenkenladen gleich in der Nähe kann man Billig-Holzware kaufen. Die Kreuze haben fünferlei Größen und kosten halt unterschiedlich. Man steckt sie dazu und sicher werden auch hunderte wieder entfernt, sonst würde der Hügel das nicht packen.

Für Heinz war es wie eine Schrotthalde, halt nur aus Holz. André war durchaus beeindruckt, allerdings in keinster Weise weihevoll oder aus sonst einem religiösen Aspekt heraus, sondern aufgrund der schieren MASSE an Kreuzen. Masse beeindruckt immer, gehen Sie in ein Keramikgeschäft in San Gimignano und Sie werden „erschlagen“ von soviel schöner bunter Keramik – beeindruckend! Die Masse an Kreuzen beeindruckt André ebenso, aber – nochmal : Fünf Millionen Quietsche-Entchen auf diesem Berg wären genauso beeindruckend!

Der Hügel ist primitiv aber nicht so primitiv, dass nicht Wojitila ihn besucht hätte.

Wir sind nicht mehr gläubig und lehnen ALLE Religionsgemeinschaften ab. Deshalb empfanden wir auch die Awesenheit jeder Moschee, jeder Kopftücher u. erst recht jeder Burka als angenehm. Nicht dass wir missverstanden werden: Ausländer und Flüchtlinge sind uns willkommen, nicht aber ein Islam, der zurück geht hinter alles, was Generationen in unserem Land vom Christentum Schritt für Schritt erkämpft haben und noch erkämpfen müssen. Deshalb empfanden wir diesen bescheuerten Ort als Angriff auf unsere geistigen Möglichkeiten. Da loben wir uns das Lebenswerk von Herrn Vilius, das im Gegensatz zur Holzschrotthalde spirituell und sehr mystisch ist und wirklich zum Denken anregt.

Aber wir durften es mit vollem Magen sehen, denn wir hatten ein paar Kilometer davor in einer Raststätte von unglaublicher Schönheit gespeist. Der Garten war ein Gedicht, das Essen auch und wir kamen mit gleich drei Geburtstagsgesellschaften in Kontakt. Nach dem schönen Erlebnis, auch kulinarisch und mit bestem Bier, ließ sich der komische Hügel aushalten.

Gleich nach der Grenze gibt es eine tolle Sehenswürdigkeit, auf die die Letten nicht mit einem Schild hinweisen. Wir haben die Reiseführer benutzt, 40 Kilometer für nichts und wieder nichts erfahren und dann das Schloss Rundale erreicht. Es hat geöffnet bis 18 Uhr, ebenso sein wie im Versailles-Stil angelegter Garten. Wir waren durch die irreführenden Beschreibungen erst um 17.20 Uhr dort, man ließ uns weder ins Schloss noch in den Garten. Wir waren schon arg verärgert. So zieht man keine Touristen an —- noch nicht einmal eine Ansichtskarte wollte man uns verkaufen!

 

 

Riga

Dann ging es nach Riga, das Paris des Ostens, wie es zu Recht genannt wird. Es hat wenig Krieg verkraften müssen, denn es gibt viele heile Bausubstanz aus vielen Jahrhunderten. Wir wohnten an einer Innenstadt-Ecke in einem Tallink-Hotel. Tallink ist eine Kette von „Anlegern“, vor allem Tätigkeit im Hotel- und Schiffsbau. Die Hotels sind kalt und unpersönlich und nicht unser Ding, dazu noch ganz extrem unfreundlich, was das Personal angeht. Wenn ein Reinigungsmann angetroffen und von uns gegrüßt wird und er stumm bleibt, dann gibt’s eben kein Trinkgeld!

Die Stadt aber ist quirlig, quillt über vor Lebensfreude. Wenn man ausgeht, erlebt man ein Angebot einer Weltstadt. Es gibt jede Art von Gastronomie, von Straßengastronomie, von Geschäften, von Unterhaltung, von Musik. Man taucht ein in die pure Lebensfreude.

Man erlebt aber auch ein grausiges Phänomen: Riesen-SUVs und Riesenmotorräder liefern sich Straßenrennen, überfahren rote Ampeln und fahren mit dem doppelten der zugelassenen Geschwindigkeit. Die Polizei steht untätig daneben, wenn Fußgänger um ihr Leben springen! Es sind halt fast nur Russen, die dort ihre Macht ausleben! Es ist eben so: in höchstens drei Generationen wird sich das unangenehm Russische „auswachsen“. Es ist wirklich unangenehm in den Ländern.

Wir haben einen herrlichen Abend genossen und am nächsten mit „Hipp-Hopp-Rundfahrten vieles gesehen und nach Bedarf intensiv angeschaut. Auch auf dieser Fahrt nichts über die jüdische Vergangenheit —— sparen wir uns an der Stelle die Zahlen!

Unser Höhepunkt der Stadt war die Markthalle, die größte Europas, voller Blumen, Lebensmittel, Kleidung und Kuriositäten, ein Eldorado für Liebhaber solcher Treffpunkte, wie wir es sind. Wir haben der Halle anderthalb Stunden gewidmet, uns weiße Mohnpflanzen mitgebracht, Säfte getrunken, nette Bekanntschaften gemacht.

Das Rathaus mit der Schwarzhäupterfassade gehört zum Schönsten, was der Mensch an Bauwerken im Baltikum hinterlassen hat! Es gibt einen ausgeprägten Reichtum an Bauwerken aus dem Jugendstil, nicht so viel und so schön wie in Wien, aber auch : oho!

Sakrale und profane Gebäude halten sich die Waage, die Innenstadt-Plätze sind belebt und voller ausgefallener Gastronomie. Die Menschen sind sehr ausgelassen und voller Lebensfreude, die Markthalle und Lebensmittel- sowie Kleidungsgeschäfte auch am Sonntag geöffnet. Wir kamen in Gespräche mit jungen Leuten, die gleich an unseren Ringen erkannten, dass wir ein Paar sind. Sie waren erschrocken und rieten uns sehr, dass wir keinesfalls erkennbar machen, dass wir ein Paar sind. Prügel seien nicht ausgeschlossen……die Russen halt! Es wird immer entsetzlicher, wie viele Orte man als Mensch, der niemandem etwas Schlimmes zufügt, meiden muss.

Unsere Mitmenschen – auch in Deutschland – stört das seltenst. Für uns steht fest: trotz aller Schönheit und aller Lebensfreude: Riga sieht uns nie wieder! Riga zeigte uns auch, dass wir mit unserer Lebensart genau in dem Boot sitzen, in dem die Juden der Nazizeit saßen!

Das nun zur Seite!

Wir besuchten außerhalb der Empfehlungen Järmala, den wunderschönen Kurort mit herrlichem weißen Strand von 30 KM an der Ostsee. Er liegt um 25 Kilometer entfernt und ist ein Muss. Es gibt eine schöne Promenade, den herrlichen Strand, schöne kleine Geschäfte und eine nette Gastronomie. Im Sommer ist der Ort hoffnungslos überlaufen. Der Preis für den Besuch ist halt, dass man die gefahrenen Kilometer noch einmal zurück legen muss; das ist aber die Sache wirklich wert. Wer Riga bei einer Städtereise besuchen wird, ist vom dortigen Bahnhof in 55 Minuten mitten in Järmala.

 

 

 

Estland, Pärnu und Tallinn

Man kommt dann bald nach Estland. Auch hier erwarten einen exessive Landwirtschaft, hohe Preise aber auch schöne Landschaften. Wir sahen uns das traumhaft schöne Naturschutzgebiet um Sigulda an, es wird auch die Lettische Schweiz genannt – zu Recht!

Wir waren im kleinen Freilichtmuseum rund um die sagenumwobene Burg Turaida. Das Museum ist von unglaublicher Schönheit; Heinz hat den Burgturm erklommen, immerhin 180 Stufen, und konnte das Tal Gauja fotografieren. Vor allem gefiel uns die Ruhe und der Kontrast zum hiesigen Freilichtmuseum oder zu den grausigen Veranstaltungen auf Burg Satzvey. Dort hätten wir gerne eine Tage zugebracht; es ist landschaftlich eine sehr heile Welt. Wer wandern möchte, kann eine Woche nur Schönes sehen. Gastronomie ist sehr dünn gesät, wurde aber als besonders gut beurteilt.

Dann geht es weiter über eine recht lange Strecke bis nach Pärnu, das wichtigste und größte Seebad an der estnischen Küste. Dort ist im Sommer allerhand „gebacken“, d.h. es sind Massen von Menschen dort, ähnlich wie in Järmala. Das ist so einnahmeträchtig, dass der Bürgermeister von Tallinn zu Beginn der Sommersaison die Hauptstadt symbolisch an Pärnu übergibt.

Wir interessierten uns hauptsächlich für das Denkmal für die Opfer der „Estonia“-Katastrophe. Am 28.09.1994 sank die Estonia-Fähre auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm. Dabei starben 852 Menschen. Es war die größte europäische Nachkriegs-Schiffs-Katastrophe.
Wir fanden das Denkmal, nahezu im Schilf an der Ostsee. Es ist sehr modern und unglaublich ausdrucksstark. Ein Kompliment dem Gestalter! Unspektakulär – ohne zusätzliche Ausstellung – beeindruckt es den Betrachter, der vor so viel Leid still wird —- so ist es wohl auch beabsichtigt.

Dann fuhren wie noch gute 150 Kilometer bis Tallinn, hatten dort mitten in der Innenstadt auch wieder einmal das Erlebnis eine ca. 100 m langen Nachtbaustelle, die am nächsten Morgen fertig war, obwohl erst um 21 Uhr am Abend vorher eingerichtet!

Das Hotel gehörte keiner Kette an, liegt am Rande der Altstadt und hat zuvorkommendes Personal, wenigstens an der Rezeption und bei m Frühstück, der Rest war wieder mürrisch u. ohne Worte. Wir können das Hotel „L’ermitage“ sehr empfehlen bei einem Tallinn-Tripp. Es hat auch eine recht preiswerte Garage.

Am Abend noch schlenderten wir durch Tallinn, freuten uns als um 21 Uhr auf dem Turm „Dicke Margarete“ unter den Klängen der estnischen Nationalhymne die Fahne eingeholt wurde. Tallinn hat reichlich Parks und eine Altstadt von solcher Schönheit, dass es in der Rangliste der Besucher der drei baltischen Hauptstädte mit Abstand am besten da steht.Tallinn hatte so gut wie keine Bausubstanz-Verluste durch den Krieg, ist blumengeschmückt und von allen drei Hauptstädten am besten renoviert. Religion spielt in ganz Estland so gut wie keine Rolle, der überwiegende Teil der Bevölkerung ist konfessionslos. Angenehm für uns, keinerlei Belästigungen in dieser Art.

Wir haben den nächsten Tag ganz der Stadt gewidmet, in der „Olde Hanse“ draußen mittelalterlich gespeist und vor allem Honigbier getrunken (6.90 Euro im halben Liter). Aber es war vorzüglich. Wir waren in vielen Geschäften, sind in ganz viele Gespräche gekommen, weil es auf der Reise keine Stadt gab, in der so viele Deutsche zu Besuch waren!

Das Mittelalter ist herrlich präsentiert in Tallinn. Das Denkmal auf dem Weg zum Hafen für die „Estonia-Toten“ ist zweiteilig. Es ist ein umgestürzter Schiffsmast, eine gute Etage darunter, zu erreichen mit einer Treppe, enthält in Stein eine Art Schiffsrumpf mit den 852 Namen aller Opfer. Der Mast wurde gerade von Jugendlichen zum Reiten benutzt und war auch arg mit Graffiti verschmiert. Wir haben die beiden Jugendlichen freundlich aber bestimmt gebeten, das Denkmal zu verlassen, was sie dann auch ohne Murren taten.

Hinter dem Denkmal geht man noch einmal durch ein Stadttor in ein Stück Altstadt, kaum besucht, aber toll hergerichtet, vor allem die heute als ein Hotel dienenden „drei Schwestern“, drei spitzgieblige Häuser aus der Gotik. Sehenswert drei ausgefallen schöne Jugendstilfassaden im weiteren Verlauf der Altstadt. Essen und Bier werden auf einmal halb so teuer wie 500 Meter weiter, was wir natürlich weidlich nutzten und dabei schöne Stunden genossen.

Die herrlichen Wollpullover und -westen, meist mit Elch-Motiven, kosten dort 45 Euro, in der „richtigen“ Altstadt 90 Euro! Tallinn hat in der Gewinn-Maximierung europäische Entwicklungen nicht verschlafen, es ist die volle Aufmerksamkeit des Besuchers gefordert, sonst wird das Portemonnaie bald recht schmal.

 

Dann kam der Reisehöhepunkt auf uns zu: es ging in den Lahemaa-Nationalpark. Jetzt fangen wir unweigerlich an, besonders zu schwärmen!
Unser Ziel war der Vihula Manor Country Club & Spa, ein Herrenhaus aus alter Zeit, herrlich aufgearbeitet, 150 Betten in ganz vielen ehemaligen Ställen und Gesindehäusern, mit einem schönen See und einem kleinen Fluss, vielen Brücken, einer kleiner Oldtimer-Sammlung von besonders alten Autos, einem eigenen Gewächhaus mit Garten, einer Mini-Farm, zwei Speiselokalen, einem Geschäft und

  • wie kann es anders sein – mit einem super-unfreundlichen Personal. Das hat uns nicht „gejuckt“, wir haben jede Minute genossen.

  • Zunächst erfreuten wir uns an einer alten Windmühle am Grundstücksrand, entdeckten leider zu spät, dass sie in ihrer „Mansarde“ ein Mini-Cafeé birgt. Man ließ uns erst um 15 Uhr in die (herrlichsten vorstellbaren) Zimmer und so haben wir drei Stunden die Umgebung erkundet, landschaftlich heil, geprägt von einer kleinen herkömmlichen Landwirtschaft, schönen kleinen Höfen, gut restauriert, vielen Störchen.

Wir sahen uns mit Sagadi und Palmse noch zwei Herrenhäuser mit Hotels und Ausstellungen an.

In Palmse, vielleicht 20 Einwohner stark, hat die Zentrale des Parks. Über Lahemaa lässt sich dort viel erfahren, man spricht deutsch, verfügt über schöne Ausstellungen, bekommt herrliche Flyer, erfährt alles über die Wildtiere und ihren Schutz und bekommt allerschönste Mitbringsel zu fairen Preisen.

Es gibt frei lebende Braunbären und Elche, Rehe und Marderhunde, Füchse, Schwarzwild und Schneehasen. Sie werden zu einem klitzekleinen Teil bejagt – von Fachleuten versteht sich. Ein Hobbyjäger hat hier erfreulicherweise null Chancen. Das Fleisch wird nicht vermarktet, auch nicht die Felle, ganz im Gegensatz zu Finnland, das uns am Ende unserer Reise mit der Vermarktung sehr empörte.
Palmse hat ein riesiges, mittelalterlich aufgemachtes Lokal, früher eine Scheune mit Gesindeabteilung.

Das Lokal lebt von den Reisebussen, die speziell an der Naturschönheit interessiert sind. Diese Reisenden haben Zeit und schauen sich den Park genau an. Sie können wir wir es konnten, oft den Kuckuck hören und dabei die Hand auf die Geldbörse legen —- dann soll das kommende Jahr bis nächsten Mai keine Not bringen!

Wir fanden dann mitten in der Landschaft, wohl an der Straße, ein sehr schönes neueres Lokal und haben dort gespeist. Außer uns waren nur noch vier Gäste dort und die deutschsprachige Wirtin setzte sich zu uns. Sie hat einen Deutschen zum Mann, der bestens kocht und gab zu erkennen, dass sie deshalb gut deutsch spricht, weil sie Deutsche in ihrer Heimatstadt St. Petersburg geführt und dabei ihren Mann in einer Gruppe kennen gelernt hat.
Sie hat uns viel erzählt, wir auch und sie erschrak richtig, als sie hörte, dass wir erst ein paar Tage verheiratet waren, nachdem wir vorher sechs Jahre verpartnert sind.

Sie hielt uns einen längeren Vortrag, der uns schockierte, nein eigentlich nicht, wir waren es ja schon gewohnt.

Die offensichtlich sehr kluge Frau erzählte uns, dass man in Deutschland die Gefahr in Russland für Lesben und Schwule sehr herunter spiele. Sie beschwor uns, solange es das Regime Putin gäbe, niemals russischen Boden zu betreten, vor allem nie St. Petersburg, die Hochburg der Gewalt gegen diese Gruppe. Unsere schon im Laufe der Reise durch viele Beobachtungen aufgetretene Antipathie gegen Russen hat sich nach diesem Gespräch gefestigt. Wir werden warnen, wo es nur gut, zumal wir auch mit Sorge betrachten, dass die hiesigen Russlanddeutschen mit riesiger Mehheit die AfD wählen —- warum wohl?

Am Tage darauf waren wir erneut in diesem Lokal. Wir können es ausdrücklich empfehlen. Es liegt keine 500m von Palmse im Lahemaa-Park entfernt. Man hält sich dort an die Öffnungszeiten, was das mittelalterliche Palmse-Lokal leider nicht macht.

Wir haben natürlich unser herrliches Hotel genossen, nichts dort verzehrt, – es hätte eines Darlehens gebraucht – sind aber dennoch in die beiden herrlichen Fischerdörfer Altja und Käsmu gefahren.

Altja ist ein Hort der Ruhe, hat vielleicht 15 mit sehr altem Reet gedeckte Häuser, einen kleinen Trampelpfad mit Zugang zum Meer. Wir erlebten dort den allerersten Schwarm von Wildgänsen. Aus dem Schilf erhoben sich ganz plötzlich ca. 1.000 Tiere. Geistesgegenwärtig haben wir fotografiert, André hat sogar einen schönen Film gedreht. Ab da erlebten wir ganz, ganz viele Wildgänse im Park, sicher kann man von zehntausenden sprechen, ein wunderbares Erlebnis!

Am nächsten Morgen stand auch Käsmu auf dem Programm. An der Spitze des Ortes in der Nordsee gibt es das reichste Vorkommen von Findlingen am Ufer in ganz Europa. Es kamen sogar Busse dorthin. Der größte Findling ist ca. 20 m hoch und hat einen Umfang von ca. 5 m. An die Findlings-“Sammlung“ schließt sich ein Stück Ufer an mit vielen Steinen, in denen seltene Vögel brüten. Man darf dieses Terrain vernünftigerweise nicht betreten.

Der Lahemaa-Park hat auch Totalreservate, die niemand betreten darf. Nicht nur im Lahemaa-Park sahen wir die bei uns praktisch nicht mehr vorkommenden Lerchen.

Wir zogen schweren Herzens aus dem Gutshaushotel aus und begaben uns auf den Weg zurück nach Tallinn. Unterwegs haben wir noch den acht Meter hohen Jägala-Wasserfall besichtigt.

Den Abend verbrachten wir in Tallinn in der Altstadt, sind früh in unserem sehr zu empfehlenden Hotel Hestia Ilmarine zu Bett gegangen, weil wir morgens um fünf aus den Federn mussten (im ganzen Baltikum und in Finnland sind die Uhren um eine Stunde vorgestellt). Unsere Fähre nach Finnland war ca. vier Autominuten vom Hotel gelegen. Das hat einen kostenlosen Parkplatz, hatte um die frühe Uhrzeit ein Frühstückpaket für uns bereit und ALLE, die uns im Hotel begegnet sind, waren ausnahmslos freundlich und zuvorkommend. Das Hotel liegt drei bis fünf Gehminuten von der Altstadt weg, man betritt sie quasi von der Hafenseite aus.

Die Fähre war pünktlich und völlig in Ordnung.

Wir erreichten Helsinki um 09.30 Uhr. Da Heinz schon zum vierten Male dort war, haben wir uns eine geführte Rundfahrt geschenkt und per Auto das Sibelius-Denkmal im Park, am See gelegen angeschaut. Vorher waren wir schon vor allen Bussen in der herrlichen Felsenkirche, einem Meisterwerk moderner Architektur. Da war ein Genie am Werk!

Wir waren im Dom (von außen sehr imposant mit dem riesigen Treppenaufgang von innen eher eine Dorfkirche). Die Stadt lässt sich von der obersten Treppenstufe sehr gut fotografieren, das Wetter war schön und man hatte die Ostsee, die Markthalle und den Markt vor sich.

Bevor wir uns diesem Markt widmeten, besuchten wir noch die russisch-orthodoxe Uspenski-Kathedrale, das erste Mal ohne Musik dort. Vom Vorplatz hat man wiederum eine schöne Foto-Perspektive.

Auf dem Markt haben wir ganz schön Fisch gegessen, in der Markthalle das typische finnische Brot (mit einem leicht süßen Einschlag im tiefdunklen Brot) gekauft und mit großem Befremden festgestellt, dass man sowohl auf dem Markt als auch in der Markthalle von 1889 Fleisch von Braunbären anbietet, auch von Elchen und von Rentieren.

Der Verkauf von Braunbärenfleisch dürfte wohl gegen das Artenschutzabkommen verstoßen, das auch Finnland unterzeichnet hat. Die skandinavischen Staaten sind dafür bekannt, dass sie dieses oft brechen, man denke nur an den Walfang in Norwegen und Island!

Es wurde Zeit für die lange Fahrt zum zweiten Fährhafen Helsinikis, der sehr weit entfernt liegt, ganz, ganz weit außerhalb der Stadt. Wir waren rechtzeitig dort und kamen auf eine Fähre, wie Heinz sie in Skandinavien noch nie schlechter erlebt hat. Finnlines hat keine schönen Schiffe, noch weniger schöne Restauranträume und relativ wenig Abwechslung. Ein Abendbuffet kostet 37,50 Euro, der Brunch am nächsten Tag 25 Euro. Letzteren haben wir in Anspruch genommen. Er war sein Geld nicht wert! Keine guten Lebensmittel, so gut wie keinen Fisch, kein alkoholisches Getränk, keine Nachfüllung leerer Platten, extrem unfreundliches Personal.

Wir haben die 27 Stunden herum bekommen, hatten das Glück mit viel Sonne und einem Sonnendeck, das genügend Liegestühle hat. Auf dem Schiff werden auf den Decks keinerlei Decken zur Verfügung gestellt.

Da kamen natürlich wehmütige Gedanken an Lines wie „Stena“ oder „Silja“, um Klassen besser!

Wir haben uns angesichts der vielen Schiffe, die uns auf der Ostsee begegnet sind, ein paar Passagierschiffe, ganz viele Containerschiffe, ganz viele Tanker, unsere Gedanken gemacht über den Schadstoffausstoss. André ist der Meinung, dass man die Dikussion um Fahrtverbote für Dieselautos vernachlässigen kann, wenn man sieht, was auf den Meeren an Mengen von Dreck ausgestoßen wird. Da bedarf es internationaler Anstrengungen und Vereinbarungen, die die Länder, unter deren Fahne Billigschiffe fahren, zu verhindern wissen werden.

Wer mit dem Schiff reist, sollte sich im Klaren sein, dass der Schadstoffausstoß bei allen: Schiffen, Flugzeugen, Autos enorm hoch ist. Da wird die Eisenbahn noch am besten wegkommen. Das Meer erlebten wir an vielen Stellen arg versaut, Teppiche von weiß der Teufel was, zogen sich oft kilometerlang.

Wir waren froh, als wir spätabends in Travemünde ankamen und dann schnurstracks nach Hause fuhren, um ab 03.50 Uhr morgens richtig auszuschlafen. Wir hatten mit unserem Auto fast 4.000 km zurück gelegt.

 

 

Fazit unserer Reise: wir haben einen großen Ausschnitt der baltischen Länder gesehen, da fehlt noch ganz vieles, vor allem werden die anderen Nationalparks auch Perlen sein. Wir sahen gut, dass die drei Länder keine Einheit sind und das auch nicht werden.

Wir erlebten, dass sie alle näher an Europa sind als Rumänien, Bulgarien oder Polen, aber mit den Russen eine große Hypothek mit sich herum schleppen.

Wir bewundern vor allem Litauen für seine Art mit Tieren und der Natur umzugehen. Da muss keine Tierschutzorganisation oder Greenpeace eingreifen. Dieser Aspekt war für uns der wichtigste bei unserer Einstellung sowohl zu den Tiergeschwistern als auch zur Natur.

Die Länder hatten die europäische Chance verdient, nutzen sie und werden eine gute Flanke der EU sein und noch manches Land aus ihr überholen in guten Entwicklungen. Dass man nach der Krim-Geschichte Angst von den Russen hat, ist mehr als verständlich.

Bemerkt werden muss allerdings schon, dass alle drei baltischen Staaten wie die Russen ihre Behinderten verstecken und man nicht einen Rollstuhl oder Rollator auf der Straße sieht. Insofern wäre hier eine gute Möglichkeit, sich durch entsprechendes Verhalten von den Russen zu distanzieren.

Wir haben eine interessante, in weiten Teilen auch empfehlenswerte Reise gemacht, aber wiederholen werden wir sie nicht, da wir beim erreichten Alter von Heinz gemeinsam noch eine Menge von Europa sehen wollen. Die USA und Asien, Fernreisen überhaupt, kommen für uns nicht in Frage. Die Schönheit und Kultur Europas kann in einem Menschenleben gar nicht erfasst und erlebt werden.

Viel Spaß beim Studium unserer Erfahrungen, vielleicht aufgeteilt auf einige „Sitzungen“.

 

André und Heinz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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